Wer Reitunterricht erteilt, kann über Trainerscheine seine Qualifikation nachweisen. Verpflichtend sind sie nicht. In diesem Beitrag schauen wir uns das Pro und Contra von Trainerscheinen an und sind gespannt auf deine Meinung!
Wer darf Reitunterricht geben?
Ganz grundsätzlich braucht es keine Genehmigung, um Reitunterricht zu erteilen. Daher ist es nicht unüblich, dass sich Einsteller gegenseitig beim Training unterstützen oder auf Ponyhöfen sogar Teenager, die schon seit einigen Jahren reiten, die Führstunden der Kleinen übernehmen. Es gibt auch wirklich gute Trainer, die aus finanziellen Gründen zwar hauptberuflich in einer anderen Branche arbeiten, nach Feierabend aber regelmäßig Stunden geben.
Dass man über eine gewisse Expertise verfügen sollte, versteht sich von selbst. Aber die ist natürlich für die Reitschüler nicht unbedingt zu erkennen, gerade wenn sie selber erst am Anfang stehen.
Und natürlich steht Pferde- bzw. Reitwissen nochmal auf einem ganz anderen Blatt als pädagogische Fähigkeiten, sprich: jemand mag bombastisch selber reiten können, kann das aber nicht unbedingt auch jemand anderem nachvollziehbar und fundiert vermitteln.
Zu guter Letzt spielt natürlich auch die Haftung eine Rolle: wer muss dafür geradestehen, wenn ein Reitschüler vom Pferd fällt? Hier kann der Reitlehrer in die Bredouille kommen, wenn er nicht nachweisen kann, über die notwendige Sachkunde zu vermitteln und somit vielleicht eine Gefahrensituation falsch eingeschätzt hat.
Um all das zu reglementieren, gibt es die Trainerscheine.
Was ist ein Trainerschein fürs Reiten?
Egal ob jemand hauptberuflich, nebenbei oder sogar ehrenamtlich ohne Bezahlung Reitunterricht geben möchte – als Trainer im Pferdesport kann man sich dafür entsprechend qualifizieren und einen Trainerschein erwerben.
Hierbei gibt es verschiedene Schwerpunkte:
- Reiten (Dressur & Springen)
- Fahren
- Voltigieren
- Westernreiten
- klassisch-barocke Reiterei
- Distanzreiten
- Gangreiten
In allen Disziplinen gibt es den Trainer C, Trainer B und Trainer A, wobei C das „Einsteigslevel“ ist und Trainer A die höchste Qualifikation darstellt. Bei einigen Reitweisen wird zusätzlich zwischen den beiden Profilen „Basissport“ und „Leistungssport“ differenziert.
Für jeden Schein sind entsprechende Lehrgänge und Prüfungen notwendig, die deutschlandweit einheitlich geregelt sind.
Kann jeder einen Trainerschein erwerben?
Grundsätzlich klingt es ja erstmal sinnvoll, dass jeder, der in irgendeiner Form Reitunterricht erteilt, auch eine entsprechende Qualifikation nachweisen muss. Ähnlich wie beim Hundeführerschein – das stellt einfach sicher, dass die Leute zumindest grundlegend Ahnung haben.
Allerdings ist das mit dem Trainerschein nicht ganz so einfach. Denn tatsächlich sind die Voraussetzungen für einen Trainerschein ziemlich happig: das Ganze ist ein mehrstufiges System, bei dem vor dem Erwerb der Trainerlizenz erst einmal verschiedene Reitabzeichen absolviert werden müssen. Zusammen mit dem zeitlichen und logistischen Aufwand stellen diese diversen Lehrgänge und Prüfungen eine nicht unerhebliche finanzielle Herausforderung dar. In der Regel ist es auch notwendig, über ein eigenes Pferd zu verfügen, das dieses Leistungsniveau überhaupt bewältigen kann.
Nehmen wir beispielsweise mal den Trainer C für den Basissport Reiten. Das ist quasi die „Einstiegslizenz“, wenn du Anfänger unterrichten möchtest.
Hierfür musst du ein Vorbereitungsseminar sowie die Prüfung absolvieren. Rund 1.000€ musst du für den Lehrgang mitsamt Prüfung veranschlagen; da das vermutlich nicht in einem Stall gleich um die Ecke angeboten wird, kommen entsprechende Kosten für Anfahrt und Unterbringung von dir und deinem Pferd hinzu (in der Regel dauert so ein Lehrgang etwa 14 Tage). Pi mal Daumen sind das also rund 2.000€.
Um überhaupt zugelassen zu werden, musst du allerdings über das Reitabzeichen 4 in Dressur und Springen verfügen sowie über das Longierabzeichen 4. Die Reitabzeichen sind ja gestaffelt, d.h. um das Reitabzeichen 4 zu erwerben, musst du erstmal 5 machen und dafür wiederum das Reitabzeichen 6. Hier ist es das gleiche Spiel – Lehrgang plus Prüfung plus ggf. Unterbringung fallen an.
Unterm Strich sind wir also bei etlichen Tausend Euro.
Klar, je nachdem, wie viele Unterrichtsstunden du gibst und ob du auf Einzel- oder Gruppenunterricht setzt, hast du die Kosten nach einigen Jahren vermutlich wieder drin. Nichtsdestotrotz musst du erstmal in Vorleistung gehen können.
In der Theorie kann also jeder ambitionierte Reiter eine Trainerlizenz erwerben. In der Praxis dürfte das aber für viele einfach nicht realistisch machbar sein – gerade, wenn man nur nebenberuflich Reitunterricht anbieten möchte oder kann. Daher setzen Trainerscheine, wie leider vieles im Reitsport, einfach gewisse finanzielle Privilegien voraus.
Pro und Contra der Trainerscheine
Keine Frage, es total zu befürworten, dass es ein Reglement für guten Unterricht gibt. Und ja, Pferdesport ist komplex und nichts, was man mal eben in einem Multiple Choice-Onlinetest abfragen kann. 😀
Daher ist es nachvollziehbar, so ein gestaffeltes System aus verschiedenen Abzeichen und Leveln aufzubauen. Und natürlich kann das nicht jeder kleine Reitstall anbieten, sondern nur große Ställe und Landesgestüte.
Auf der anderen Seite ist es einfach schade, dass die Hürden für die Qualifikation so hoch sind und viele ambitionierte Reiter, die Spaß am Unterrichten haben, diese realistisch einfach nicht bewältigen können.
Wie erkenne ich guten Reitunterricht?
Wenn du nun auf der Suche nach einem Reitlehrer oder einer Reitlehrerin bist, fragst du dich natürlich, auf was du achten musst und wie du guten Unterricht findest.
Trainerscheine alleine sind – finden wir – in der Praxis nicht viel wert. Schließlich hatten wir zu Schulzeiten auch alle „gute“ und „schlechte“ Lehrer – die haben alle mal ihr Lehramtsstudium absolviert, aber am Ende kamen wir ganz unterschiedlich mit ihnen zurecht und haben letztlich auch unterschiedlich viel gelernt.
Welche Reitweise wird vermittelt?
Reiten ist ja nicht gleich reiten. Auch wenn die Grundlagen reitweisenübergreifend gleich sind, gibt es doch ganz unterschiedliche Herangehensweisen. Bei einem Westerntrainer bist du nicht gut aufgehoben, wenn du von einer Springkarriere träumst. Ein Turnierstall ist umgekehrt aber vielleicht nicht unbedingt das Richtige für dein Kind, wenn es einfach gerne mit Ponys ausreiten möchte.
Gibt es Unterricht nach Schema F oder wird auf deine persönlichen Baustellen eingegangen?
Kann deine Trainerin dir erklären, warum sie diese oder jene Übung mit dir macht, auch wenn sie auf den ersten Blick vielleicht gar nichts mit deinem Problem zu tun hat? Stellst du Fortschritte fest?
Gerade, wenn du Gruppenunterricht nimmst, ist das wichtig.
Welche Vorbilder und Ausbilder hat die Trainerin?
Auch jenseits von Scheinen gibt es ganz viele Lehrgänge. Besucht dein Reitlehrer welche? Hat er vielleicht Vorbilder, die seine Reitphilosophie prägen? Recherchiere die Namen und schau, ob diese Einstellung für dich passt.
Wie geht der Reitlehrer mit den Pferden und Reitschülern um?
Ein gewaltfreier Umgang ist essentiell und egal wie qualifiziert jemand sein mag, eine unfaire Behandlung von Pferd und Reiter ist einfach ein No Go!
Kannst du offen und ehrlich ansprechen, wenn du etwas nicht verstanden hast oder vor etwas Angst hast? Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist sooo wichtig – nicht nur zwischen Mensch und Pferd, sondern auch zwischen Trainer und Schüler.
Wie werden dir Verbesserungen vermittelt? Es bringt nichts, wenn du bei jeder gebrüllten Kritik zusammenzuckst und eigentlich nur Bahnhof verstehst.
Unser Fazit
Reitunterricht zu geben, bedeutet eine große Verantwortung gegenüber den Schülern und natürlich auch den Pferden. Jeder, der unterrichten möchte, sollte sehr ehrlich mit sich selber sein und sich fragen, ob die eigenen fachlichen und auch pädagogischen Kompetenzen dafür wirklich ausreichen.
Die Trainerscheine mitsamt ihrer entsprechenden Lehrgänge und Prüfungen stellen sicher, dass das nötige Wissen und die Erfahrung vorhanden sind. Allerdings ist ihr Erwerb an nicht unerhebliche finanzielle und logistische Herausforderungen geknüpft ist. Daher gibt es auch viele wirklich gute Reitlehrerinnen und Reitlehrer, die nicht über diese Scheine verfügen.
Wie schaut das bei dir aus – achtest du darauf, welche Trainerscheine deine Reitlehrer vorweisen können? Gibst du vielleicht auch selber Unterricht – wie stehst du zu den Scheinen?