Neulich las ich einen Artikel, in dem es um den heilsamen und beruhigenden Einfluss von Pferden ging.
Von majestätischen Tieren mit sanfter Präsenz war da die Rede. Eine entspannende Wirkung hätten sie, würden das Selbstbewusstsein stärken und eine Verbindung zu unserer inneren Balance fördern.
… an dieser Stelle dürfen alle Pferdebesitzer jetzt gern mal kurz hysterisch lachend vom Stuhl kippen. 🤪
Die Realität sieht oft ja eher so aus: Du möchtest zum Stall fahren, voller Vorfreude auf eine harmonische Zeit mit deinem vierbeinigen Partner. Auszeit vom Alltag und so. Me-Time.
De facto schnellt dein Puls schon in die Höhe, als im Stakkato lauter Sprachnachrichten in einer der drölfzighundert WhatsApp-Stallgruppen eingehen. Denn natürlich ist dein erster Gedanke, dass irgendein Notfall mit den Pferden passiert ist – von der Weide ausgebrochen und auf die Landstraße gelaufen, beim Gruppenausritt alle durchgegangen, was auch immer-
Du hörst sie auf doppelter Geschwindigkeit ab, nur um festzustellen, dass sich bloß eine Einstellerin über den quersitzenden Pups einer anderen Einstellerin aufregt hat und prompt die ganze Gruppe Partei für die eine oder die andere Seite ergreift und erbittert debattiert.
Du packst das Handy seufzend weg, fährst zum Stall und seufzt ein zweites Mal, als du dein Pferd auf dem Paddock entdeckst. Es hat sich natürlich die einzige matschige Stelle ausgesucht, um in Decke und Mähne eine schwarzbraune, nasse Schlammschicht einzumassieren. Wie schön, dabei hat es direkt auch einen Bauchgurt der Decke abgerissen. Kostet ja nix, das Zeug.
Du pflückst dein mäßig begeistertes Pferd vom Paddock und – hurra – es hat sich ein Eisen abgetreten und humpelt! Somit ist klar, aus der geplanten schönen Reiteinheit wird nix, stattdessen telefonierst du dem Hufschmied hinterher und verkaufst deine Seele, um heute noch einen Termin zu bekommen. „Ab 18 Uhr“, is‘ klar, um die Zeit wolltest du eigentlich längst schon wieder daheim sein.
Also schnell alle anderen Termine umkoordinieren. Deine Familie verdreht nur noch wortlos die Augen, weil du eh jeden Tag viel länger als verabredet am Stall bist. Aber ein „mal eben schnell“ funktioniert bei Pferden eben nie: „nur nochmal kurz zum Füttern rüberfahren“ bedeutet in der Realität: „Upsi, erst noch schnell den zerstörten Zaun reparieren, bei der Gelegenheit gleich noch mit dem Stallbetreiber einen neuen Heuballen in die Raufe bugsieren, die dabei heruntergefallenen Heureste auf dem Hof wegfegen, dem Pferd (und seinen drei Kumpels) noch kurz eine andere Decke anziehen, und, ach ja, füttern“.
Bämm, drei Stunden – weg.
Während du auf den Schmied wartest und deinem Pferd dabei die allmählich trocknenden Schlammkrusten aus der Mähne piddelst, reflektierst du noch einmal diesen Artikel über den gesenkten Cortisolspiegel. Falls die Autorin des Artikels mal einen Realitätsabgleich braucht – sie darf gern vorbeikommen, wenn dein Pferd mit seinen Kumpels ausdiskutiert hat, wer der Chef an der Heuraufe ist, und du danach entscheiden darfst, ob es „nur“ eine Schramme ist oder doch besser der Tierarzt kommt. Tierarztkosten überschlägst du mittlerweile nicht mehr in Hunderterschritten, sondern eher in 500€-Blöcken.
Vielleicht denkst du dir jetzt: „Ach, das passiert doch nicht ständig.“ Haha. Willkommen in der Welt der Pferdebesitzer! Wir haben eine Art untrüglichen siebten Sinn entwickelt – eine Mischung aus Panikradar und hellseherischer Fähigkeit, mit der wir schon aus 100 Metern Entfernung erkennen können, ob das Pferd heute gesund aussieht oder ob es sich „irgendwie anders“ bewegt. Und ja, „irgendwie anders“ kann alles bedeuten – von „steht nur doof da“ bis „braucht jetzt einen CT-Termin in der Klinik“.
Entspannung? Findet in erster Linie, wer das Ausmisten als meditative Übung ansieht. Wer sich überlegt, ob die monatlichen Futterkosten wirklich noch in einem vertretbaren Rahmen liegen – und dann beschließt, lieber selbst billige Nudeln zu essen, weil das Pferd natürlich genau das Spezialfutter für 50 Euro pro Sack braucht. Wer sich fragt, wie es sein kann, dass das Konto leer ist, aber die Sattlerin schon wieder kommt, weil das edle Ross beschlossen hat, sich über Nacht einen völlig neuen Körperbau zuzulegen.
Und trotzdem: Pferde sind großartig. Sie müssen es einfach sein, sonst würden wir uns den ganzen Stress nicht antun. Es gibt Momente, da steht dein Pferd einfach nur da, legt die weichen Nüstern an deinen Hals, schnaubt leise und alles ist vergessen. Da reitest du über eine Wiese, spürst die Energie und das Vertrauen deines Pferdes und weißt genau, warum du das hier machst.
Aber bei aller Liebe muss man auch einfach ehrlich sagen: Pferdehaltung ist kein reines Wohlfühl-Hobby. Es bedeutet harte körperliche Arbeit, emotionale Belastung und eine Balance am finanziellen Abgrund.
Doch wer sich davon nicht abschrecken lässt, den erwartet ein Leben voller unvergesslicher Momente – irgendwo zwischen Herzrasen und Herzklopfen. ❤️🐴
Bis auf einem Zirkusritt als Kleier Bub auf einem Zwergponny, habe ich noch nie auf einem richtigen ausgewachsenen Pferd gesessen, geschweide denn wüsste ich, wie ich die 1PS bewegen könnte. 🙂
Aber ich weiß, dass Äpfel wie Süßigkeiten für Pferde sind und man sich nicht von hinten heranschleichen sollte. 🙂
Das ist doch schon mal ein Anfang. 😉